Wissenschaftliches Arbeiten und politische Praxis

Dieses Kurzreferat wurde im Rahmen der Veranstaltungsreihe theorie:laden am 30.5.2011 in Wien gehalten.

Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe theorie:laden

 

Motivation

  • Frage: Hängt meine Vorliebe für bestimmte Theorien auch mit meiner Praxis zusammen und umgekehrt?
  • Der Versuch Vorurteile zwischen Wissenschaft und politischer Praxis abbauen

Die folgenden Ausführengen entstanden aus einem sozialwissenschaftlichen Hintergrund, inwiefern sie auf andere Wissenschaften zutreffen könnte man diskutieren.

Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik wird bestimmt dadurch wie einzelnen Elemente definiert werden.
Je nachdem wie man Wissenschaft konzipiert ist auch das Verhältnis zur politischer Praxis eine andere

Zwei (überzeichnete) Konzeptionen von Wissenschaft lassen sich feststellen.

I. „Positivistisch-Empiristische“ (Mainstream) Konzeption

Alles ist durch Wissenschaft Erkennbar, Wissenschaft kann wertfrei sein
Wissenschaft schafft Fakten, Tatsachen.
Definition von Politik in diesem Kontext: Politik als Problemlösung, Wissenschaft als Beratung die Anleitungen geben kann, Entscheidungen treffen

II. „Relativistische“ Konzeption

Wirklichkeit ist nicht erkennbar, alles Wissen ist subjektiv und damit gleichwertig
Wissen(schaft) als Macht/Unterdrückung
Keine/kaum Trennung von Wissenschaft und Politik

 

Gegen die Unzulänglichkeiten dieser beiden Konzeptionen nun ein paar Elemente einer möglichen dritten Konzeption

III. „kritisch-realistisch/emanzipatorisch“(?) Konzeption


1. Abstraktion/Konzepte
Abstraktes Denken Kernmerkmal von Wissenschaft
Das bedeutet aber nicht, dass Wissenschaft damit „abgehoben“ oder weg von „der Realität“ ist
Denn: Wir haben immer Konzepte/Theorien der Realität. Was macht aber die Besonderheit wissenschaftlicher Konzepte/Theorien aus?
Ich würde sagen das Zielen auf Mechanismen/Strukturen, jenseits des Alltagverstandes
(Anmerkung: was wären andere Konzeptionen von Theorien in der Wissenschaft, zB der obigen zwei Modelle: widerspruchsfrei, widerlegbar, …?)

2. Strukturen
Wir können die Welt nicht einfach nur durch unser Handeln ändern. Es gibt Strukturen/Mechanismen die wir erkennen müssen. Das ist Aufgabe der Wissenschaft.
Soziale Strukturen sind nicht bewusst und intentional, es gilt sie zu erkennen und gegebenfalls zu ändern
Bsp.: Zusammenhang Bildung/Karriere und soziale Herkunft (Was bestimmt darüber welche Leute auf die Uni gehen, in gewisse Jobs kommen, etc.?)
Erklärungen könnten sein und sind/waren ja auch: Sexistisch (Männer sind klüger), rassistisch, elitistisch, biologistisch
=> stattdessen lässt sich sozialwissenschaftlich die Bedeutung der sozialen Herkunft (Klasse, Geschlecht, Ethnie) feststellen
d.h. Wissenschaft hat eine implizit kritische Dimension

3. Wissenschaft als soziale Praxis
Wissenschaft ist soziale Praxis => aus dieser Sicht: Probleme aber auch Chancen
Probleme

  • Wissenschaft hilft Status Quo aufrechterhalten
    Kann Unterdrückungsmechanismus sein, Wissenschaft als Herrschaftstechnologie, Technik/Naturwissenschaften (Man denke nur an eine Demo, mit welchen auch wissenschaftlichen produzierten Mitteln einem da die Polizei gegenübersteht, der gesamte Überwachungskomplex ) bis zu Sozialwissenschaft (um soziale Ungleichheit rechtfertigen, im Bereich der psychosozialen „Gesundheit“ die Zurichtung von Menschen für den Arbeitsmarkt)
  • Wissenschaft kann sozialen Ausschluss bewirken
    Andere Formen des Wissens werden nicht ernst genommen, nicht wahrgenommen
    Ausschluss von Personen (zB Frauen) und Inhalten

Diese Probleme, auf die besonders die zweite Konzeption hinweist muss man sich bewusst machen.
ABER auch einen gewissen Anspruch wahren: weniger richtige Theorien können erkannt und zurückgewiesen werden (Bsp. Bildung und soziale Herkunft), ansonsten verfällt man in Relativismus und beraubt sich die Möglichkeit der (Herrschafts)kritik

4. Keine Vorhersagen, keine Anleitung
Wissenschaft bringt keine Handlungsanleitungen hervor
Die Entscheidungen was getan werden soll ist wissenschaftlich nicht endgültig entscheibar, muss anders getroffen werden (Bereich der Ethik, Demokratie, Politik)
ABER: Wissenschaft ist relevant (nicht „realitäts/praxisfern“) sollte in Entscheidungen einbezogen werden

Schluss: Wissenschaft und politische Praxis
Wie können nun kleine politische Gruppen, Bewegungen mit Wissenschaft, wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen?
Man sollte nicht einfach auf wissenschaftl. Wissen zurückgreifen wenns grad für die eigene Position passt, sondern wissenschaft kritisch als spezifische Form des Wissens betrachten.
Wissenschaft

  • Kann einen anderen, reflektierten Blick aufs eigene Handeln werfen (zB über Seminar-, Diplomarbeiten) => Gefahren?
  • Kann helfen gewisse Mechanismen, Strukturen zu erkennen
  • Kann aber kein Totschlag-Argument sein, dass anderes Wissen einfach verdrängt. Wissenschaftliches Wissen ist ein spezifisches Wissen mit Stärken und Schwächen. Hat aber in gewisser Weise (wenn es um Strukturen, Mechanismen geht) eine privilegierte Positition

Martin Bartenberger

Empfohlene Literatur

Andrew Sayer – Method in Social Science.
Berth Danermark u.a. – Explaining Society. An Introduction to Critical Realism in Social Science.
Max Horkheimer – Traditionelle und kritische Theorie.