Die Geburt der Hausfrau, der Kindheit und anderer Zufälligkeiten

Was heute so selbstverständlich als Hausarbeit und weibliche Tätigkeiten gilt, ist grob datiert um das 17./18. Jahrhundert entstanden. Kein einziger Bestandteil der genannten Hausarbeitsdefinition und erst recht nicht alle zusammen trifft auf die Zeit vor dem 17. Jahrhundert zu. „Hausarbeit ist relativ neuen Ursprungs, sie hat ihre Anfänge im 17./18. Jahrhundert mit den Anfängen des Kapitalismus und entfaltet sich, ungleichzeitig in verschiedenen Ländern und Regionen, in dem Zeitraum nach der industriellen Revolution. In dieser Zeit scheint sich fast alles, was Hausarbeit heute ausmacht, verändert zu haben: was es ist, wer sie tut, wie sie getan wird; die Einstellung zu ihr, ihre sozioökonomische Bedeutung, ihre Beziehung zur gesellschaftlichen und natürlichen Umwelt. Selbst der Begriff Hausarbeit scheint vor dieser Zeit nicht zu existieren, wie auch der moderne Begriff der Familie erst mit dem Aufkommen der bürgerlichen Familie im Europa des 17./18. Jahrhunderts entsteht.“ (Bock/ Duden 1976: 122)

Die Geschichte der Hausarbeit zeigt sich dabei essentiell mit einem Raumkonzept verknüpft, das einen öffentlichen Raum von einem privaten Raum trennt. Dabei streiten sich die Geister, wann dieser private Raum das erste Mal auftaucht. Viele sind davon überzeugt, den Zeitpunkt mit der Entstehung der griechischen Polis  festlegen zu können. Irmgard Schultz widerlegt diese „populäre Auffassung von oîkos als ‚Haushalt‘ oder ‚Privatsphäre‘“(Schultz 1994: 116). Klar ist jedenfalls, dass sich diese Trennung von privat und öffentlich im Mittelalter nicht aufrechterhalten lässt. Die „alte Gesellschaft“ vor der Industrialisierung beruht hauptsächlich
auf einer Familienwirtschaft, also der Gesamtarbeit von Mann, Frau, Kindern, Knechten, Mägden, Blutsverwandten und Nicht-Blutsverwandten. Wenn es auch verschiedene Formen der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen gab, eine Trennung gab es nicht: die, zwischen häuslicher, unbezahlter und außerhäuslicher, bezahlter Arbeit. (Wir nehmen an, dass in den Häusern des Adels oder der Lehensherren die Rollen etwas differenzierter waren, die Situation der Frauen und der Männer aber nicht grundlegend anders. So gab es vielleicht einen Gutsverwalter, Soldaten, eine Amme usw., aber keinen privaten Haushalt.)

Die heute so natürlichen, weiblichen Tätigkeiten, das Kochen oder das Putzen, beschränkten sich auf das notwendigste, vor allem aber geschah es nicht  „unsichtbar“, sondern war Teil der Familienwirtschaft. Auch der „Arbeitsplatz“ Kinderstube kam nie vor. Dass Kindheit eine eigene Lebensphase ist, Kinder eine besondere Behandlung benötigen oder einen eigenen Raum, ist eine relativ neue Erkenntnis. (Bock/ Duden 1976: 133f.) Die traditionelle Form der  Säuglingsaufbewahrung war das Wickeln. Die Säuglinge, fest in Stoffbinder eingebunden, waren bewegungsunfähig. Dadurch konnten sie viele Stunden allein gelassen werden, ohne die Gefahr, dass sie sich verletzten. Sobald sie laufen lernten, waren sie kleine Erwachsene. Erst die bürgerliche Reformbewegung setzte sich für kindgerechte Erziehungspraktiken ein. Und mit dem Bürgertum entstand die Mutterrolle.

Auch die Form der Unterdrückungder Frau änderte sich. War die Vormachtstellung des Mannes in der alten Gesellschaft noch etwas, das gegen Widerstand durchgesetzt werden musste, regierte in der bürgerlichen Gesellschaft eine Idealvorstellung. So setzte sich seit dem 17. Jahrhundert das Bild der passiven, sanften und freundlichen Hausfrau und Mutter – erstmals formuliert vom englischen Puritanismus – als Norm durch. Es muss nicht dazugesagt werden, dass es einer riesigen Propagandabewegung bedurfte, um vor allem im 19. Jahrhundert die Mutterrolle als natürliche Bestimmung der Frau durchzusetzen. Diese Art der Unterdrückung scheint die Autonomie der Frauen wirkungsvoll untergraben zu haben. Statt gegen offene Gewalt, haben Frauen mit der Drohung von  Unnatürlichkeit zu kämpfen.

Der wirtschaftliche und gesellschaftliche Umbruch, die Expansion des Handwerksund des Handels, der Aufstieg des Bürgertums und die beginnende Industrialisierung scheinen die Frauen zurückgedrängt zu haben. Zwischen dem 16. und 18. Jhd. verschlechterte sich die Rechtsposition der Frauen in Frankreich. Sie verloren Verfügungsmöglichkeiten über Mitgift und Besitzungen und das Recht, selbständig einen Bauernhof oder einen Handel führen zu können. Gleichzeitig wurde versucht, die Gewalt in der Ehe zu mildern. Das Recht des Mannes, seine Frau zu züchtigen, wurde in England eingeschränkt. In Frankreich wurde das Recht auf eine Trennung von Tisch und Bett von der katholischen Kirche immer häufiger anerkannt. (ebd. 150f.) Interessant ist, dass hier eine Kluft aufzugehen scheint, zwischen unabhängigen Frauen der Unterschicht, die arbeiten mussten und den Frauen der Mittelschicht, die das neue Ideal der Hausfrau verkörperten. „Während Frauen des ‚alten Typs‘ die Revolution in Frankreich trugen, wurden bürgerliche Frauenclubs geschlossen, mit der Begründung: die Frau gehöre ins Haus.“ (ebd. 151)

Das erste Mal in der Geschichte werden arbeitende Frauen mit dem Vorwurf konfrontiert, ihren Mann und ihre Kinder zu vernachlässigen. So heißt es in einem  medizinischen Untersuchungsbericht über die Lage der Landarbeiterinnen in England 1864: „Das, was Sitte und Anstand der Landmädchen vor allem zerstört,  scheint mir in ihrem Gefühl der Ungebundenheit zu liegen. Und das haben die Frauen dadurch, daß sie eine bezahlte Arbeit haben … Alle Verdienstmöglichkeit gibt den Frauen einen vulgären Charakter, in ihrer Erscheinung und in ihren Verhaltensweisen, während Abhängigkeit im Unterhalt von dem Mann die Quelle allen bescheidenen und freundlichen Umganges ist.“ (Knitteringham 1975, zit. nach Bock/Duden 1976: 151f.)

Zur Entstehung der modernen Hausfrau – also dem Übergehen von dem Familienideal eines kleinen Teils der Bevölkerung (dem städtischen Bürgertum), hin zu einem Phänomen, das sich auch in der Arbeiterklasse ausbreitet – skizzieren Bock und Duden zwei Entwicklungslinien. Die eine ist der Übergang von der  Hausherrin zur Hausfrau. Das hing einerseits mit der verringerten Zahl an willigen DienstbotInnen zusammen, andererseits mit der Mechanisierung des Haushalts, wodurch nun die Hausherrin in der Lage war, die Tätigkeiten alleine zu verrichten. Die zweite Entwicklungslinie ist der „Aufstieg“ der Hausmädchen zur Hausfrau. Diese sahen in der Fabrikarbeit eine Möglichkeit, der prekären Arbeit als Dienstbotin zu entgehen. Durch diese (wenn auch immer noch niedrigst bezahlte) Selbständigkeit eröffnete sich für sie die Möglichkeit, eine Ehe zu schließen und einen eigenen Haushalt zu führen.

Die Industrialisierung brachte weitreichende Veränderungen mit sich. Immigration und Verstädterung waren direkte Folgen. Dadurch wurden aber auch häusliche Arbeiten notwendiger als früher, z.B. durch den Rauch aus Fabrikschloten, der sich auf Wäsche und Häuser absetzte oder durch die Überfüllung in den  Mietskasernen. Konnten beim Entstehen der Fabriken die männlichen und weiblichen meist durch Landflucht und Migration beschafften Arbeitskräfte noch einfach „verheizt“ werden, verlangte das Elend und die daraus resultierende sinkende Leistungsfähigkeit, aber auch die Arbeitskämpfe, einen anderen Umgang. Neue Mittel wurden erforderlich, um die Arbeitsfähigkeit und -willigkeit zu garantieren. Die Qualität der Arbeitskraft geriet in den Fokus.

Es wurde entdeckt, dass höhere Löhne eine Konsumgesellschaft ermöglichen. Die durch Maschinen – Waschmaschine, Nähmaschine – erfolgte Reduzierung der Hausarbeit bei den Haushalten, die es sich leisten konnten, wurden durch neue Tätigkeiten aufgewogen: das Einkaufen und die Kindererziehung. Kinder sollten selbst gestillt werden, Frauen sollten das frühkindliche Reinlichkeitstraining überwachen und den geforderten Kampf gegen die Onanie führen. Die moderne Arbeitswelt erforderte die Erziehung zu Disziplin und Rationalität. Monotonie und Tempo des Fließbandes verlangten nach einer extremen physischen und psychischen Zurichtung der  Arbeiter. „Die Produktivität der Lohnarbeiter zu fördern, zu sichern, ja zu schaffen“ (ebd. 165) das war die neue Aufgabe der Frau.

Das „domestic science movement“ setzte, dem Vorbild Taylor in der Fabrikarbeit folgend, in den USA den Slogan Effektivität in der Haushaltsführung durch.  Tausende Frauen wurden vom Department of Agriculture ausgesandt, um andere Frauen in die Prinzipien moderner Haushaltsführung zu unterweisen. Ratgeber und Zeitschriften erledigten den Rest. Henry Ford richtete in seiner Auto-Fabrik ein Sociological Department ein, mit der Aufgabe, in den Haushalten der  Arbeiterfamilien bezüglich Moral, Arbeitsfreude und Effizienz nach dem Rechten zu sehen. (ebd. 164)

Die Frauen wurden so zu einem essentiellen Bestandteil der Lohnarbeit. Ein unbezahlter und unsichtbarer Bestandteil. „Die Subsumption der Hausarbeit unters Kapital muss nach zwei Seiten hin begriffen werden: einerseits begann man, den Männern höhere Löhne zu bezahlen, gerade so hoch, daß sie eine Frau in  ökonomischer und sexueller Abhängigkeit halten konnten; andererseits machte die Unterwerfung der Frau und die Durchsetzung der Familie als Organisationsform unbezahlte Hausarbeit in der Arbeiterklasse es möglich, den Arbeitern geringere Löhne zu zahlen, als es die Klassenkämpfe bis zu den Revolutionen von 1917/1919 erforderlich gemacht hätten. Das Kapital konnte den streikenden Arbeitern gewissermaßen die Frauen als Kompensation anbieten und die Frauenfeindlichkeit der Arbeiterbewegung hat diesen Handel akzeptiert.“ (ebd. 177)

Die Situation heute ist wieder eine andere. Der Slogan der „Wahlfreiheit“, der explizit nicht an Männer gerichtet ist, stellt es der Frau frei zwischen Karrierefrau- Rabenmutter, Karrierefrau-frigide-Kinderlosigkeit und Hausmütterchen zu wählen. Das Bild der Arbeitenden und die Anforderungen, die an sie gestellt werden,  haben sich in fortgeschrittenen Marktwirtschaften verändert. Dementsprechend wurde die Kindheit zur Investitionsphase, die heute mit Pränatal-Diagnostik, der Beschallung schwangerer Bäuche mit Mozart, bis zum Unterricht im Kindergarten ihre Vollendung gefunden hat.

 

Anmerkungen
Bock, Gisela/Duden, Barbara: Arbeit aus Liebe-Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus. In: Beiträge zur Berliner Sommeruniversität. Berlin, 1976

Schultz, Irmgard: Der erregende Mythos vom Geld, Frankfurt, 1994

 

Autorin: Therese Fuchs

Erschienen in Politix (30/2011)