„Krisen-Mutti“ Merkel: Mediale Metaphorik und ihr wahrer Kern

Oft sind die von den Medien bzw. ihren meist recht oberflächlichen politischen Analyst_innen gezeichneten Bilder nicht viel aussagekräftiger als die in „Newspeak“ verfassten Stellungnahmen, welche die Politiker_innen selbst in die Welt setzen. Manchmal allerdings kann das mediale Echo einen politischer Großereignisse einen gewissen ideologischen Kern tatsächlicher politischer Verhältnisse durchaus in recht brauchbarer Offenheit wiedergeben. Die deutsche Bundestagswahl und dort speziell das „Phänomen Merkel“ sind hier ein gutes Beispiel. In zahlreichen Medien wird der fulminante Sieg Merkels – 40%, noch dazu für eine bürgerliche „Volkspartei“ sind tatsächlich beträchtlich – stark auf die Person der Kanzlerin zurückgeführt, bzw. was sie mit ihrer Partei vermitteln konnte. Die CDU/CSU unter ihrer Führung stünde für Sicherheit und Stabilität und verspräche auch in der Wirtschaftskrise eine stabile Führung. So wenig damit natürlich die „wirkliche“ Person bzw. die Politikerin Merkel gemeint sein kann – auch sie ist nur ein Ausdruck von gesellschaftlichen Verhältnissen, die sie genauso viel oder wenig bestimmt, wie andere Politiker_innen – so richtig ist der Gedanke doch in zweierlei Hinsicht. Einerseits vor dem Hintergrund einer allgemeinen Tendenz des Politischen, die als krisenhaft bezeichnet werden kann: Politik wird heute (wieder) viel weniger durch „Inhalte“, „politische Programme“ und diesbezügliche klare Verortungen der Wähler_innen geprägt, als sie eine mediale Inszenierung ist, in der fiktive Figuren gemalt bzw. beschworen werden. Anders als früher sind diese Figuren oft brüchig und können nicht mehr als kurzfristige Erfolge versprechen, sind beständig zu adaptieren und reinszenieren. Die Figur Merkel schaffte es dabei scheinbar besser als andere, eine gewisse Konstanz zu wahren und allein schon aus dieser Tatsache erwächst ein politischer Mehrwert Andererseits angesichts der spezifischen ökonomischen Krisenregulation, die seit 2008 zu leisten ist. Zweifellos hatte Deutschland hier sowohl in Europa als auch der ganzen Welt einen Startvorteil bzw. sehr günstige Ausgangsbedingungen. Die Angst der Menschen vor einem Abstieg und ein dahingehender „Sicherheitsdiskurs“ sind aber trotzdem bzw. gerade deswegen deutlich zu bemerken. Insbesondere die sogenannte „Mittelschicht“ bzw. all jene, die sich von der diesbezüglichen, im deutschsprachigen Raum sehr ausgeprägten, Ideologie leiten lassen, sind hiervon betroffen. Dabei zählt weniger, wer wirklich noch im soziologischen Sinne einer ausmachbaren „mittleren Schicht“ angehört – die Ideologie ist für alle identitätsgebenden, die sich auch nur annährend in einer sozialen Lage befinden, welche wenigstens noch die Aspiration „zur Mitte“ zu gehören zulässt. Beides, das mittelstandsideologische Bedürfnis nach Sicherheit und die gelungene Bedienung des politischen Imaginären gelang Merkel sicherlich in vieler Hinsicht durch geschickte Taktik und ein äußerst ausgeprägtes Talent im Umgang mit jener Art der kühlen und sachlichen politischen Rationalität, die gerade in Zeiten der Krisenregulierung von so großer Bedeutung ist. Diese „Leistungen“ sind natürlich geschlechtlos und stehen für sich. Angesichts des oben gesagten, der Tatsache dass immer weniger das reale Politikgeschehen als die ideologische Aufladung zählen, erscheint jedoch die Vergeschlechtlichung des „Phänomens Merkel“ durchaus von Relevanz zu sein. Das nun oft beschworene Bild der „Mutterfigur“ ist dabei ernster zu nehmen, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn das Mütterliche ist seit jeher Kern nationaler Ideologie,  die Frau figuriert dabei als organisch-völkisches Sinnbild für den „Körper“ der Nation, der jedoch durch symbolisch männlich konnotierte Momente nationaler Ideologie,  den „Vater Staat“, unterworfen wird und so erst seine volle Tragfähigkeit erhält. Dies sublime weibliche Seite des Nationalstaates wird gerade in Zeiten des gefühlten Sicherheitsverlust, der Angst vor dem Abstieg und dem Rattenschwanz psychologischer Reaktionsmuster, die damit einhergehen, zunehmend relevant. Nicht nur im sprichwörtlichen Sinne ist dabei eine versteckte Sehnsucht nach einer „Mutterfigur“ sicherlich mindestens so stark, wie die „männliche“ Seite Merkels, die sich in ihrer „staatsmännischen“ Kompetenz, ja der übermäßigen Repräsentation des Idealtypus „Sachpolitiker“ manifestiert. Gewissermaßen ließe sich sagen, dass es die Personalunion von sowohl männlich als auch weiblich konnotierten Seiten ist, die Merkel als ideologische Figur so stark macht. Dass auch diese Figur eine prekäre ist, ja die Aufladung der Repräsentanzen sich selbst bei dem für Verlässlichkeit und Konstanz stehenden Ideologem einer bürgerlichen Mitte schnell ändern könnte, wird letztlich auch dadurch deutlich, dass Merkel beständig um ihre Anerkennung und ihr Standing kämpfen musste. Als „unweiblich“, „Mannweib“ oder „das Merkel“ geschimpft und verschmäht, wird das sexistische Ressentiment, vor dem auch die oberste Staatenlenkerin nicht gefeit ist, nicht nur zwischen den Zeilen deutlich, es droht auch gerade dann, wenn sie einen Fehler macht bzw. schlicht die Verhältnisse sich für Deutschland ungünstiger entwickeln, über die alte und neue Kanzlerin hereinzubrechen. Die scheinbare Sicherheit könnte also sowohl für Angela Merkel und die CDU/CSU als auch für die deutschen politischen Verhältnisse allzu bald eine trügerische sein.

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