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2013 Lesekreis: “Feminism As Critique”

CritiqueLesekreis

Die feministische Debatte ist heute stark geprägt von „poststrukturalistischen“ bzw. „dekonstruktivistischen“ Ansätzen, die gerade im deutschsprachigen Raum umfassend mit dem Namen Judith Butler verknüpft sind. Damit einher geht oftmals die Vorstellung, dass Feminismus nur noch in Verknüpfung mit einer performativen Queer-Theorie „zeitgemäß“ zu haben ist. Dieser inzwischen nahezu hegemoniale Trend wird allerdings nicht nur aus „politischen“ Gründen von vielen Feministinnen hinterfragt, es gibt auch zahlreiche theoretische Bedenken. Insbesondere Autor_innen mit materialistischem Background kritisieren dabei v.a. die alleinig „dekonstruktive“ Perspektive auf Geschlecht und vergeschlechtlichte Herrschaft und fordern ein „rekonstruktives“ kritisches Projekt ein, das Herrschafts-verhältnisse auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene verortet.

Der Sammelband „Feminism as Critique“ aus dem Jahr 1987 beweist, dass viele Problemstellungen von damals immer noch Gültigkeit haben, aber auch Debatten eines „rekonstruktiven“ Projekts seither eher eingeschlafen sind. In vieler Hinsicht finden sich in den oppositionellen Beiträgen „in statu nascendi“ Frontstellungen, welche auch heute feministische Theorie durchziehen, wobei das Problem der Bezugnahme auf (subjektivierende) Effekte von Macht allerdings damals noch weniger die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen ausschloss. Aus dem Anspruch, breitere Herrschaftsstrukturen zu thematisieren, resultiert bereits ein erster Fokus der Auseinandersetzung: die Trennung von Öffentlich und Privat und ihre patriarchale Funktion, die v.a. an liberalen Vorstellungen kritisiert wird. Diese ist – ältere marxistisch-feministische Ansätze zur „Hausarbeit“ aufgreifend – nur eingebettet in eine „versteckte“ gesellschaftliche Arbeitsteilung zu verstehen, die Frauen systematisch eine (symbolisch) untergeordnete Rolle zuwirft. Zeitgemäße kritische Theorie kann jedoch nicht bei dieser gleichermaßen einfachen und unkonkreten Feststellung stehen bleiben, da insbesondere in der sogenannten „Postmoderne“ eine Pluralisierung der Verhältnisse stattgefunden hat, die auch die Formen der Subjektivierung von Frauen (und Männern) betrifft.

In dem Buch versuchen sich die Autor_innen deshalb an einer differenzierten Kritik, die klassisch marxistische Überlegungen v.a. in zwei Hinsichten erweitert: einerseits mit Hinblick auf die stark von Jürgen Habermas geprägte Transformation der Kritischen Theorie Frankfurter Schule in eine „rationale Diskursethik“ der Moderne; andererseits mit Bezug auf die psychoanalytische und subjektkritische Diskussion selbst, sowie die dort verhandelten durchgängig negativen Bezugnahmen auf eine „universale Emanzipation“. Die Texte bewegen sich also im Spannungsfeld eines Projekts einer „immanenten Kritik“, das zumindest Teile des Bestehenden – und dabei oft auch eine Vorstellung von (Zwei-)Geschlechtlichkeit – als notwendige Basis der Kritik und damit vielfach auch als Teil einer möglichen Emanzipationsperspektive betrachtet. Aus dieser Position wird beispielsweise Michel Foucault, aber auch die von Jacques Lacan beeinflusste Tradition feministischer (psychoanalytischer) Theorie kritisiert. Demgegenüber sind allerdings auch Einwürfe vertreten, die auf radikalere Weise den Essentialismus einer solchen Position gerade hinsichtlich der Geschlechterdifferenz problematisieren. Am pointiertesten vertritt dies Judith Butler (die damals noch nicht weltberühmt war) in ihrem Beitrag. Auf ähnliche Weise stehen sich auf dem Terrain der Ethik zwei Positionen gegenüber: Die eine, welche spezifische Momente einer „weiblichen“ (Care-)Ethik erhalten möchte, die sich von der universalistischen Gerechtigkeitsethik unterscheidet und etwa von Habermas im Konzept der Lebenswelt (unkritisch) situiert wurde; Und die andere, welche stärker die binäre Basis von (ethischen) Unterscheidungen wie jener von Rationalität und Begehren hinterfragen möchte und dabei gar nicht mehr auf die immanenten Werte abzielt.
Im Lesekreis wollen wir uns dem spannenden und komplexen Themenfeld widmen und in respektvoller Atmosphäre über diese für ein feministisches und auch ein breiteres gesellschaftskritisches Projekt wichtigen Fragen diskutieren. Genaues Procedere und Termine klären wir gemeinsam in der ersten Einheit. Für diese sollte bereits auch die instruktive Einleitung zum Band gelesen werden.

Wann? Donnerstags, 19Uhr. Erster Termin am 21.03.2013

Wo? Theoriebüro. Pfeilgasse 33, 1080 Wien (@ „Schenke“)

Infomaterial: Flyer.pdf, Infoblatt.pdf

Lesestoff für die 1.Einheit: Einleitung.pdf
Weitere Texte werden per Mail/Hand verteilt.

Interessante Rezension des gesamten Bandes:

31.01.2013: Krise und Geschlecht

Geschlechterverhältnisse in der Krise?

 

Neben im engen Sinn als “ökonomisch” verstandenen Krisenphänomenen ist aktuell auch von der “Krise der Ernährermännlichkeit” und der Reproduktionsarbeit die Rede. Die althergebrachte vergeschlechtlichte Arbeitsteilung sei in die Krise gekommen, damit würden sich auch die Subjekte und die sie durchziehende patriarchale Herrschaft auf unterschiedlichste Weise verändern. Dies gilt es jedoch genauer zu beleuchten. So wollen wir im Jänner eine breitere Perspektive auf “die” Krise legen, welche Geschlechterverhältnisse als Herrschaftsverhältnisse in den Blick nimmt. Ein Fokus auf Krisen von Männlichkeiten, wie auch auf feministische Kritik einer vermeintlichen Destabilisierung asymmetrischer Machtverhältnisse steht dabei im Vordergrund der Auseinandersetzung. Im Kontext der in Krisenzeiten zu befürchtenden Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen soll schließlich zu einer geschlechtersensiblen, kritischen Diskussion aktueller Krisenphänomene angeregt werden.

19Uhr30 @ Schenke, Vortrag von Ann Wiesental & Stefan Sulzenbacher: Flyer.pdf

13.12.2012: Krise der Politik

Politik in der Krise – Krise der Politik ?

 

Viele schieben heute dem sogenannten „Neoliberalismus“ die Krise in die Schuhe. Ihm wird oft vorgeworfen, dass er die Politik zugunsten der Ökonomie in den Hintergrund rücken ließ und somit für die gegenwärtige Misere verantwortlich wäre. Laut diesen Positionen ist die einfache Lösung: mehr Politik, weniger Ökonomie. Implizit wird dabei meist der – im Nachhinein idealisierte – Zustand der „Nachkriegsgesellschaft“ („Wirtschaftswachstum“, Fordismus, Klassenkompromiss, stabile politische Regulation) zurückgewünscht. Nicht zuletzt auch wird dabei ein politisches Ideal reproduziert, das repräsentative Massendemo-kratie anstrebt und diese in der heutigen „postdemokratischen“ Gesellschaft, die von zunehmenden autoritären Tendenzen, Technokratie und einer grundlegenden Transformation der politischen Institutionen geprägt ist, gefährdet sieht.

Aus einer kritischen Perspektive stellt sich jedoch die Frage, ob hier weit genug gedacht wird. V.a. bleibt zu erörtern, ob Politik und Ökonomie wirklich als derartig getrennte Sphären verstanden werden können, oder im Kapitalismus nicht immer schon miteinander verwoben waren. In Folge müsste überlegt werden, ob nicht beide gemeinsam in die Krise geraten bzw. es auch so etwas wie eine „Krise der Politik“ geben kann. Vor diesem Hintergrund müssten dann womöglich auch vertraute Vorstellungen von Demokratie und politischer Partizipation, die uns richtig und unumstößlich erschienen, einer Überprüfung unterzogen werden. Diese und weitere Fragen wollen wir gemeinsam mit dem Referenten erörtern.

19Uhr30 @ Schenke, Vortrag von Ruth Kager feat. Elmar Flatschart

29.11.2012: Die Krise und die Rolle von sozialen Bewegungen

Die derzeitige Krise hat verschiedene Regionen in unterschiedlichem Ausmaß getroffen und dabei teilweise sehr unterschiedliche Verläufe genommen. Insofern sind auch die sozialen Bewegungen, die sich im Laufe der Krise und Krisenbearbeitung gebildet haben, nicht als einheitlich zu verstehen. Ziel dieser Veranstaltung soll es daher sein, über die verschiedenen sozialen Bewegungen im Zusammenhang mit der derzeitigen Krise zu reflektieren und Differenzen aber auch Gemeinsamkeiten zu diskutieren.

Als Ausgangspunkt dient dabei ein kurzer Input zu aktuellen US-amerikanischen sozialen Bewegungen, die sich im Zusammenhang mit der Krise gebildet haben (Occupy-Movement, Rolle von community organisations, anti-eviction campaigns). Anschließend soll in gemeinsamer Diskussion die Lage der europäischen Protestbewegungen analysiert und Vergleiche mit Anti-Krisen Protesten in anderen Regionen gezogen werden. Im Zentrum steht dabei die Frage nach dem emanzipatorischen Gehalt der diversen Bewegungen sowie ob und wie eine stärkere Verständigung und Zusammenarbeit zwischen ihnen möglich ist.

Vortrag von Martin Bartenberger

Zeit: 29.11.2012, 19:30

Ort: Die Schenke, Pfeilgasse 33, 1080 Wien

 

Weitere Veranstaltungen in der Veranstaltungsreihe zur Krise

25.10.2012 Veranstaltung: Einführung in die Krisentheorie

Krise überall? Einführendes zur Krise und Krisentheorie

 

In den Medien und Mainstream-Debatten ist die Wirtschaftskrise immer noch – nun v.a. als „Euro-Krise“ – in aller Munde. Ihre „Zukunft“ bzw. die Frage der Tragweite von Krisenmechanismen bleibt dabei jedoch fast immer außen vor. Dabei ist es längst offensichtlich, dass sich mehr als nur ein spezifisches Finanzregime in der Krise befindet. Wir haben es mit grundlegenden gesellschaftlichen Transformationen zu tun, die weder rein intentional gesetzt sind, noch einfach durch „politisches Handeln“ beseitigt werden können. Materialistische Krisentheorie bietet als einziger gesellschaftskritischer Ansatz aussagekräftige Erklärungsmuster an, welche die gesamte Breite der Krise zu erfassen suchen und sich nicht auf bloße pluralisierte krisenhafte „Erscheinungen“ reduzieren. Es gilt deshalb diese Erklärungsmuster weiterzuentwickeln und v.a. auch zu verbreiten, um der herrschenden Borniertheit gängiger Kriseneinschätzungen bzw. des ideologisierten „Alltagsverstands“ eine kritische Alternative entgegenzusetzen. Das Ziel der ersten einführenden Einheit – wie auch der gesamten Veranstaltungsreihe zur Krise – ist es, diesem Unterfangen zuzuarbeiten.

Im Vortrag und der nachfolgenden Diskussion werden einführende Überlegungen zur Einschätzung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Krise präsentiert und ein kurzer Blick auf probate krisentheoretische Erklärungsmuster geworfen. Dabei sollen auch „linke“ AkteurInnen adressiert werden, um gemeinsam zu erörtern, welche (ideologischen) Sperrungen dazu führen, dass die Krise meistens – so sie überhaupt thematisiert wird – rein externalisiert betrachtet wird, anstatt als umfassende Lebensrealität auch der eigenen emanzipatorischen Praxen reflektiert zu werden.

19Uhr30 @ Schenke, Vortrag von Elmar Flatschart

2012/13 Lesekreis: Krise. Part II

KrisePartII-Flyer

Dieser Lesekreis ist nicht aufbauend konzipiert; d.h. es sind
KEINE Vorkenntnisse aus jenem des letzten Semesters nötig.

Kickoff-Veranstaltung: 11. Oktober 2012; ~19Uhr
Lesekreis: jeden Donnerstag, 19h im Theoriebüro
(mit Veranstaltungen am 25.10., 29.11., 13.12. und 31.01.)

Beschreibung:

Alles ist in der Krise. Doch was heißt Krise und was sind diese Krisen? Sind sie eine Krise mit einer gemeinsamen Ursache – oder ist die Wirtschaftskrise ein Deckname für viele getrennte Krisen zur gleichen Zeit? Wir wollen uns mit den wissenschaftlichen Annäherungen beschäftigen: an die ökonomische, politische, ökologische & Gender-Dimension.

Der Lesekreis soll den Freiraum bieten, auf unterschiedliche Interessen und Vorkenntnisse einzugehen. Vorwissen ist nicht erforderlich, nur die Bereitschaft zuzuhören und mitzureden. Interessierte sind eingeladen, im gemütlichen Kreise die jeweiligen Beiträge zu diskutieren und ihre Meinung einzubringen.

Der Lesekreis findet wöchentlich (Donnerstag, 19h) für zirka zwei Stunden statt. Als Grundlage der jeweiligen Einheit dient ein überschaubarer Text, den jedeR TeilnehmerIn als Vorbereitung eigenständig liest. Dabei geht es uns nicht nur darum, die Texte gemeinsam besser zu verstehen. Diese dienen als Ausgangspunkt und Basis für Diskussion und Meinungsaustausch.

Info-Material: Plakat, FlyerVorne, FlyerHinten, LiteraturlisteVorschläge.pdf

2012/13 Lesekreis: Robert Kurz’ „Geld ohne Wert“

KurzLesekreis

Robert Kurz legt mit seinem posthum erschienen Werk „Geld ohne Wert“ programmatische „Grundrisse zu einer Transformation der Kritik der Politischen Ökonomie“ vor, die in vieler Hinsicht von Interesse sind. Einerseits für all jene, die sich einer fetischkritischen Marxlektüre im weiteren und der wertabspaltungskritischen Theoriebildung im engeren Sinne verpflichtet fühlen. Ihnen wird eine Aufarbeitung zahlreicher theoretischer Desiderate geboten, die im Kontext der breitenwirksameren Publizistik Kurz‘ bzw. von kürzeren, themenspezifischen Artikeln nicht möglich war. Zentrale Diskussionspunkte sind etwa das Verhältnis zur neuen Marxlektüre, die Substanzproblematik im Kontext der Krisentheorie, der „realabstrakte“ Charakter des Geldes und die ihn umgebenden Mystifkationen und nicht zuletzt auch die Neukartierung des Verhältnisses von „logischer“ und „historischer“ Lesart des Kapitals vor dem Hintergrund der wertabspaltungskritischen Theoriebildung. Doch auch all jene, die nicht unmittelbar mit der wertabspaltungskritischen Tradition sympathisieren, finden in „Geld ohne Wert“ zahlreiche innovative Verhandlungen bekannter und umstrittener Topoi der Kritik der Politischen Ökonomie, wie etwa dem Problem der „Produktion des relativen Mehrwerts“, des „tendenziellen Falls der Profitrate“, der Relevanz einer Geldware für das Funktionieren des Kapitalismus und dem Status der Marxschen Krisentheorie. Zu guter Letzt wird eine streitbare, aber in vieler Hinsicht Stoff für Diskussionen bietende, geschichtsphilosophische These über den Status und die Genese „vormoderner Fetischverhältnisse“ und der Rolle des Geldes in ihnen (weiter-)entwickelt. Auch wenn jene Passagen wohl teils unabhängig von der Kritik der Politischen Ökonomie (des Kapitalismus) gelesen werden können, wird sich an vielen Stellen die struktive Bedeutung der Untersuchung vormoderner Sachverhalte für das Verständnis des herrschenden Systems erweisen und in dieser spezifischen Art der nicht mehr rein „ökonomisch“ fassbare Gehalt ökonomiekritischer Überlegungen im Kontext einer breiteren Gesellschaftskritik erschlossen werden.

Diese und viele weitere Punkte sollen im Lesekreis intensiv an Hand des Textmaterials diskutiert werden. Das Format zielt auf ein bereits versiertes Publikum ab, dem die Grundbegriffe der Kritik der Politischen Ökonomie nicht neu sind. Methodisch wird (abgesehen von der Lektüre der jeweils ausgemachten Textabschnitte) ein modus operandi angestrebt, bei dem jeweils einE TeilnehmerIn den für die Einheit gelesenen Teil umfassender aufbereitet und im Falle einer stockenden oder themenfremden Diskussionsentwicklung leitenden eingreift. Unabhängig von der Frequenz (einwöchig, zweiwöchig), die noch zu vereinbaren ist, sollten alle Beteiligten ein möglichst klares Commitment zur Teilnahme an den Tage legen, da eine kontinuierliche Bearbeitung gerade angesichts der anspruchsvollen Materie besonders geboten erscheint.

Wann?      jeden zweiten Montag, 1900h. Erster Termin am 8.10. 2012 (next: 22.10.)

Wo?           Theoriebüro. Pfeilgasse 33, 1080 Wien (Durchgang „Schenke“)

2012 Lesekreis: Krise (aka “Was hat die Krise mit mir zu tun?”)

Die Krise ist in aller Munde. Die (radikale) Linke scheint sie jedoch eher
widerwillig zu registrieren, als ernsthaft zu analysieren. Während
reformistische Kräfte wie ATTAC schnell eine Antwort haben und das
Finanzkapital dämonisieren, kommt von radikaleren Kräften höchstens der
obligatorische ideologiekritische Reflex, dass dies ja strukturell
antisemitisch sei. So sehr dies auch manchmal stimmen mag, ist damit alleine
noch nichts verstanden. Wer sich nicht eingehender mit den Ursachen und
Konsequenzen der Krise auseinandersetzt, droht die gesellschaftskritische
Bodenhaftung zu verlieren und hat damit auch keine bessere Erklärung als
ATTAC und Co bereit. Letztlich sind auch die aktuellen ideologischen
Verarbeitungsformen nur dann durchschaubar, wenn ihr “Zeitkern” erschlossen
wird.

Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Krisenerscheinungen ist
deshalb mehr als theoretisches Beckenrandschwimmen. Sie sollte auch für
politisch Aktive aller Couleur zur Pflichtübung werden, wenn sie nicht
Gefahr laufen wollen, an der Realität vorbeizutreiben. Wichtig ist es dabei,
festzuhalten, dass “Krise” nicht gleichzusetzen ist mit “ökonomischer
Krise”. Das, was wir heute als “Wirtschaftskrise” vorgesetzt bekommen, ist
nur die – wenn auch gewichtige – Spitze eines Eisbergs. In der Krise ist
(zumindest) eine Gesellschaftsformation und somit sind – mittelbar – auch
Aspekte wie Politik, Kultur, Psyche und Natur betroffen. Dies wollen wir in
der Gestaltung unseres Programms jedenfalls berücksichtigen.

Der Lesekreis zur Krise soll erste Einstiege in das Thema ermöglichen und
damit auch jene ansprechen, deren Fokus nicht nur die Theoriearbeit ist. Wir
haben deshalb dieses Semester auch bewusst darauf verzichtet ein “fixes
Programm” auszuarbeiten. So möchten wir die Auswahl der Texte möglichst an
den Wissensstand und die Interessen der Teilnehmer_Innen anpassen.

KrisenPlakatLesekreis

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der erste Termin findet am 22.3. um 19 Uhr im Theoriebüro (Pfeilgasse 33,
1080 Wien) statt und wird dann wöchentlich fortgesetzt (Flyer1, Flyer2 mit Text ).
Auf Grund der loseren Struktur kann es diesmal auch Sinn machen, zwischendurch
vorbei zu schauen. Nachfragen unter theoriebuero[at]lnxnt.org lohnt!

2012 Lesekreis: “Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie” zur Lektüre

Das erste Vorbereitungstreffen findet statt am 28. März um 19 Uhr im Theoriebüro.
Dort vereinbaren wir dann die Folgetermine.

Die “Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie” von Karl Marx werden
häufig als “Rohentwurf” des Kapitals bezeichnet. Ende der 1850er Jahre
verfasst, schlummerte die Schrift lange in Marx’ Nachlass und wurde erst 80
Jahre später vollständig veröffentlicht. In der Folge wurde sie vor allem
für jene wichtig, die sich mit Marx gegen Lenin und den Leninismus
richteten. Immer wieder wird behauptet, die dialektische Struktur von Marx’
Gesellschaftskritik und der innere Zusammenhang ihrer Kategorien würden nur
in diesem Text wirklich deutlich. Wenn das stimmt, wird eine grundlegende
Gesellschaftskritik auf der Höhe der Zeit nicht darum herumkommen. Denn der
Kapitalismus wurde in den mehr als anderthalb Jahrhunderten nach Entstehung
der “Grundrisse” zwar beständig umgewälzt, aber ist doch Kapitalismus
geblieben. Im Lesekreis wollen wir uns anhand des Textes also grundlegend
damit auseinandersetzen, wie diese Gesellschaft funktioniert, was sie
zusammenhält und was das für uns bedeutet, wenn wir sie überwinden wollen.

Grundkenntnisse der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie sind sicher
von Vorteil, werden aber nicht vorausgesetzt. Im Lesekreis soll ein Rahmen
entstehen, in dem alle offenen Fragen gestellt und diskutiert werden können.

30.01.2012: theorie:laden – Potentiale und Grenzen basisdemokratischer Organisierung

30.01.2012

Potentiale und Grenzen basisdemokratischer Organisierung.
Anti-repräsentative Kämpfe in Spanien und Argentinien

Spätestens seit dem 15. Mai 2011 und der an diesem Tag in Spanien
ausgelösten Bewegung der “indignadxs” ist das Wort “asamblea” kein
Fremdwort mehr und auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Erfahrungen mit einer breiten horizontalen und pluralen gesellschaftlichen
Organisierung in (Nachbar_innenschafts-) Versammlungen werden in Buenos
Aires jedoch schon seit 2001 gemacht.
Wir wollen die Möglichkeit nutzen, aus diesen Kämpfen und Erfahrungen zu
lernen. In diesem Theorie:laden werden wir uns deshalb ausgehend von
Erfahrungsberichten mit diesen Versuchen auseinander setzen, eine andere
gesellschaftliche Ordnung jenseits repräsentativer Demokratie zu denken
und vor allem umzusetzen.

… was sind die Möglichkeiten und Potentiale horizontaler Organisierung und
einer heterogenen, pluralistischen Bewegung?
… wie konnten Räume mit ganz anderen Logiken geöffnet und aufrecht
erhalten werden?
… wo lagen die Grenzen einer Verstetigung solcher basisdemokratisch
organisierter Räume und Widerstandsformen?
… was sind die Gründe für das Scheitern dieser beiden Erfahrungen ?
… oder sind sie gar nicht gescheitert?

All das wollen wir im nächsten theorie:laden diskutieren. Ein Beteiligter
an den Protesten in Spanien 2011 (Madrid/Barcelona) wird über seine
Erfahrungen berichten und ein weiterer Input schildert die Entwicklung und
Transformationsprozesse der Asamblea-Bewegung in Argentinien (Buenos
Aires) von 2001-2011…

 

28.11.2011: theorie:laden – Politische Organisierung – Wie und wozu?

28.11.2011

Politische Organisierung – Wie und wozu?

Es gibt welche die…
… gründen Parteien
… geben Zeitschriften heraus
… veranstalten Demonstrationen
… betreiben Kostnix-Läden
… veranstalten Lesekreise
… schreiben Texte
… besetzen Häuser
uvm.

All das sind Formen politischer Organisierung. Aber wieso organisieren wir uns? Was sind Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Arten von Organisierung? Und wie sieht es generell in Österreich mit politischer Organisierung aus?

All das wollen wir im nächsten theorie:laden diskutieren. Zu Gast haben wir dazu dieses Mal Leute von der Gruppe „Perspektiven“, die die gleichnamige Zeitschrift herausgibt.

Ort:  Schenke, Pfeilgasse 33, 1080 Wien
Zeit:  Montag 28.11., 19h, „open end“ in gemütlicher Atmosphäre
Infos: 
www.dieschenke.org

2011/12 Lesekreis: Kritische Erkenntnistheorie

  • Schnädelbach, Herbert (2002). Erkenntnistheorie zur Einführung, Hamburg: Junius. 7-30.
  • Kant, Immanuel (1787): Der transzendentalen Doktrin der Urteilskraft (Analytik der Grundsätze). Drittes Hauptstück. Von dem Grunde der Unterscheidung aller Gegenstände überhaupt im Phaenomena und Nomena.+ Anhang. Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe durch die Verwechslung des empirischen Verstandesgebrauchs mit dem Transzendentalen. In: ders.: Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Inselverlag. S.232-269.
  • Iber, Christian (2000). Was will Hegel eigentlich mit seiner Wissenschaft der Logik? Kleine Einführung in Hegels Logik, in: Andreas Arndt, Christian Iber (Hg.) (2000). Hegels Seinslogik. Interpretation und Perspektiven, Berlin: Akademie Verlag. 13-32. (+ (1812): Vorrede zur Wissenschaft der Logik. Das Sein. Hamburg: Felix Meiner Verlag. + Leseprobe)
  • Nietzsche, Friedrich (ca. 1870): Socrates und die Tragödie. Vortrag.
  • Popper, Karl (1960). Erkenntnis ohne Autorität, in: David Miller (Hg.) (1995). Karl Popper Lesebuch, Tübingen:Mohr. 26-39.
  • Horkheimer, Max (1937). Traditionelle und kritische Theorie. Ausgabe Unbekannt. http://lesekreis.blogsport.de/images/MaxHorkheimerTraditionelleundkritischeTheorie.pdf
  • Furlong, Paul/Marsh, David (2011). A Skin Not a Sweater: Ontology and Epistemology in Political Science, in: David Marsh, Gerry Stoker (Hg.) (2011). Theory and Methods in Political Science, Basingstoke:Palgrave Macmillan.
  • Laclau, Ernesto/Bhaskar, Roy (1998). Discourse Theory vs Critical Realism, in: Alethia 1.2. 9-14.
  • Singer, Mona (2005). Geteilte Wahrheit. Feministische Epistomologie, Wissenssoziologie und Cultural Studies (Kap. 1.2, 1.3, 3.3), Wien:Löcker. 15-60, 95-139.
  • Haraway, J. Donna (1991). A Cyborg Manifesto: Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century, in: dies.: Simians, Cyborgs, and Women, New York: Routledge. 149-181;
  • Haraway, J. Donna (1991). Situated Knowledges: The Science Question in Feminism and the Privilegue of Partial Perspective, in: dies.: Simians, Cyborgs, and Women, New York: Routledge. 183-201.
  • Barad, Karen (2003). Posthumanist Performativity: Toward an Understanding of How Matter Comes to Matter, in: Signs: Journal of Women in Culture and Society, vol. 28, no. 3. 801-831.

30.05.2011: theorie:laden – Wissenschaftliches Arbeiten und politische Praxis

Der theorie:laden am 30.05.2011 steht unter dem Motto
Wissenschaftliches Arbeiten trotz/weil/neben/aber/statt/als/und/über/für/gegen/ohne polit. Praxis

Im kommenden theorie:laden wollen wir über das Verhältnis von Wissenschaft und politischer/sozialer Praxis sprechen. In einem ersten kurzen Input werden einige Wissenschaftskonzeptionen und ihr unterschiedliches Verhältnis zur politischen Praxis vorgestellt. Außerdem wird der Frage nachgegangen: Was kann uns die Wissenschaft für kritisch-emanzipatorische Praxis bringen?

Danach wollen wir gemeinsam über unsere eigenen Erfahrungen mit Wissenschaft und politischer Praxis diskutieren. Folgende Fragen könnten dabei eine Rolle spielen: Was erhoffen wir uns von “der Wissenschaft” für unsere soziale/politische Praxis? Wie versuchen wir Erfahrungen aus unserer politischen/sozialen Praxis ins wissenschaftliche Feld einzubringen? Wo gibt es Vorurteile ( z.B. “die trockene/abstrakte/ abgehobene/arrogante/… Wissenschaft” vs. “die unreflektierte/ oberfläch­liche/naive/… Praxis”)? Inwiefern ist Wissenschaft auch soziale/politische Praxis?

30.05.2011, 19h
Pfeilgasse 33, 1080 Wien

 

English Version:

The next theorie:laden on May 30th will be about the relationship between science and political/social practice. We’ll first hear a short input on the different concepts of science and their relationship to political practice and about the question how science can be useful for critical-emancipatorical practice.

After that we’ll have a discussion about our own  expierences concerning these questions, about the prejustices  between science and practice and so on.

May 30th, 7pm
Pfeilgasse 33, 1080 Vienna

Translation in english will be available at the event!


Alle theorie:laden Veranstaltungen

28.03.2011 theorie:laden – Von der gemeinsamen Kasse zur gemeinsamen Ökonomie? Eigentumskritik im Alltag

Jeden letzten Montag des Monats findet in der Schenke die Veranstaltungsreihe theorie:laden statt, organisiert von Theoriebüro, und dem Kost-Nix-Laden. Dabei sollen konkrete Themen in offener, aber Input-orientierter Weise behandelt werden.

Der nächste theorie:laden steht unter dem Motto
“Von der gemeinsamen Kasse zur gemeinsamen Ökonomie?
Eigentumskritik im Alltag”

Wir wollen diskutieren, was Eigentumskritik bedeuten kann, wenn versucht wird sie von einer eher theoretischabstrakten Ebene auf eine konkrete alltagsbezogene zu bringen.

Welche Möglichkeiten gibt es unter den gegebenen Bedingungen mit dem Prinzip “Alle nach ihren Bedürfnissen, alle nach ihren Fähigkeiten” im Alltag zu experimentieren? Welche Formen ökomomischer Solidargemeinschaften jenseits von Kleinfamilie sind denk- und machbar?

Zwischen einer gemeinsamen Lebensmittelkassa und gemeinschaftlichem Wirtschaften liegen viele mögliche Arten und Weisen sich auch auf ökonomischer Ebene gemeinsam zu organisieren.

Erfahrungsberichte von Leuten aus zwei unterschiedlichen Kollektiven, die das 1-Topf-Prinzip praktizieren, werden die Basis für Diskussionen über Sinn und Unsinn von Wirschaftsgemeinschaften als kollektive Lernerfahrung und gesellschaftliche Perspektive sein.

28.03.2011
19h
Schenke, Pfeilgasse 33, 1080 Wien

 

Flyer zur Veranstaltung zum Download

28.02.2011 theorie:laden – Umsonstökonomie: denkbar & machbar

Jeden letzten Montag des Monats findet in der Schenke die Veranstaltungsreihe theorie:laden statt, organisiert von Theoriebüro, und dem Kost-Nix-Laden. Dabei sollen konkrete Themen in offener, aber Input-orientierter Weise behandelt werden.

Der nächste theorie:laden steht unter dem Motto “Umstonstökonomie: denkbar & machbar” und findet statt am:

28.02.2011
19h
Schenke, Pfeilgasse 33, 1080 Wien

 

2010/11 Lesekreis: Zwischen feministischer und Marxscher Theorie. Perspektiven einer materialistischen Kritik der Geschlechterverhältnisse

Was? Warum?

Im Lesekreis soll es um eine Wiederaneignung theoretischer Essentials eines Strangs kritischer marxofeministischer Theoriebildung gehen. Die Anfänge der Auseinandersetzung liegen in den 1970er Jahren, sie wurde in den 1980ern verstärkt aufgegriffen, später allerdings nur ganz sporadisch vorangetrieben.
Nach dem „postmodern turn“ wurden viele der damaligen Debatten abgebrochen und ein bereits erreichter gesellschaftstheoretischer Erkenntnisstand erodierte mehr und mehr. Wir möchten dieses Wissen ausgraben und sehen, was sich davon heute (noch) verwenden lässt.
Es geht um die Haltbarkeit von „Großtheorie“, die versuchen feministische und marxistische Ansätze integral zu kombinieren, d.h. Fragen nach der Geschlechterordnung und der Warenproduktion nicht nur „additiv“ im Sinne einer eklektizistischen oder „intersektionalen“ Herangehensweise zusammendenkt, sondern auf die gesellschaftliche Totalität abzielt und aus ihr heraus Momente wie Wert, Arbeit, Geschlechterdichotomie, patriarchale Herrschaft, moderne Subjektform, Ideologie oder auch (gesellschaftliches) Unbewusstes erklärt.
Derartige Ansätze die „aufs Ganze“ gehen sind bekanntlich rar geworden. Um sie zu verstehen reicht es oft nicht aus, die (wenigen) aktuellen Texte zu lesen, es bedarf einer sukzessiven Aufrollung zentraler Etappen ihrer Entstehungsgeschichte. Diese Genealogie der Kritik am warenproduzierenden Patriarchat steht aber auch für sich, denn sie verbreitert das Wissen über eine immer schon marginalisierte und heute fast vergessene Tradition geschlechterkritischer Gesellschaftstheorie.

Wann? Wo?

· Jeden Donnerstag, während Uniferien oder Feiertagen nach Vereinbarung
· Im Theoriebüro (Schenke, Pfeilgasse 33, 1080, Wien)

Formales

Der Lesekreis richtet sich an Menschen, die schon etwas mit Theoriearbeit vertraut sind. Vorkenntnisse zum spezifischen Thema sind natürlich nicht nötig, aber absolute Basics der feministischen und/oder marxistischen Debatte sind von Vorteil. Ganz allgemein sollten TeilnehmerInnen eine gewisse Erfahrung im Umgang mit (wissenschaftlichen) Texten mitbringen, denn angestrebt wird, für einen Text nicht mehr als 1-2 Einheiten zu verwenden. Es wird also einiges zu lesen geben, pro Woche im Schnitt 30 Seiten. Nachdem die Textstruktur aufeinander aufbaut macht eine Teilnahme nur Sinn, wenn du wenigstens den Großteil der Termine wahrnehmen kannst. Wir möchten uns nach Möglichkeit einmal pro Woche (exklusive Uni-Ferien u.ä.) treffen, um mit dem Programm so halbwegs durchzukommen.
Bezüglich des Ablaufs des Lesekreises können wir uns noch verständigen. Bewährt hat es sich aber, dass jeweils eine Person den Text (gründlicher) vorbereitet und so die Diskussion moderiert.
Falls die Gruppe zu groß wird (absolutes Maximum 10 Personen) bestünde auch die Möglichkeit zwei Lesekreise zum selben Thema zu machen.
Die Texte werden in einem gebundenen Reader bei Facultas im NIG aufliegen (Kosten: 15-20€) und werden teilweise auch eingescannt zur Verfügung stehen.

Gliederung

I Kritik der fehlenden Rezeption feministischer Theorie in der „Wertkritik“

II Abstoßungspunkt in der feministischen Theorie: Die Hausarbeitsdebatte

1. Die zwei Stränge der Hausarbeitsdebatte
2. Die Debatte zwischen Kontos/Walser und Bock/Duden
3. Die Prokla Debatte zwischen Ursula Beer und Claudia v Werlhof
4. Anknüpfungs und Abstoßungspunkte bei Kornelia Hauser und Frigga Haug
III Werttheoretische Alternativen zum Standpunkt der Hausarbeitsdebatte

1. Die Neubestimmung von Gebrauchswert und Konsumtion bei Robert Kurz

a) Gebrauchswertfetischismus bei Kornelia Hafner
b) Die wertabspaltungkritische Wendung bei Kurz: Geschlechterfetischismus

2. Anknüpfungspunkte auf Grundlage dieser Neubestimmung

a) Dorothea Meys „Die Liebe und das Geld“
b) Helga Grubitzsch „Frauen und Konsumgesetze“
IV Feministische Vernunftkritik / Kritik der Frankfurter Schule

1. Symbolische Ordnung und Gewalt bei Helga Geyer-Ryan
2. Die Hegel Kritik von Genevieve Lloyd und Heidemarie Bennent
3. Feministische Kritiken an Horkheimer und Adorno

a) Der fehlende Patriarchatsbegriff (Christine Kulke)
b) Das fehlende Verständnis von Gender (Irmgard Schultz)
c) Die unzureichende Fassung der Natur/Kultur Dialektik (Elvira Scheich)

V Das „gesellschaftliche Unbewußte“ und Subjektkritik

1. Roswitha Scholz Kritik an der Bestimmung der Kategorie bei Regina Becker Schmidt
2. Mögliche Weiterentewicklung der Kategorie durch Rekurs auf Cornelia Ott
3. Hildegard Heise: Subjekt, Patriarchat und kapitalistische Produktionsweise

Inhalt

(I)
Den Einstieg in den Lesekreis macht eine von Roswitha Scholz vorgebrachte Kritik an androzentrischer Theoriebildung im „eigenen Haus“: der „alten“ Wertkritik wird ihre Auslassung patriarchaler Herrschaft vorgeworfen. Gleichzeitig liegt in dieser Kritik aber auch eine gesellschaftstheoretische Erweiterung begründet, die nicht nur auf die wertkritische Gesellschaftskritik aufbaut, sondern gleichermaßen aus
feministischen Theorien hervorgeht.

(II)
Besonders relevant und bekannt ist hier eine Debatte, die sich um ein wesentliches politisches und theoretisches Kampffeld der (zweiten) Frauenbewegung dreht, der Hausarbeit. Ausgehend von der Erkenntnis, dass Frauen zahlreiche Dienste im „Privaten“ unentgeltlich leisten, stellt sich aus gesellschaftstheoretischer Perspektive die Frage nach der Einordnung dieser Tätigkeiten. Ist Hausarbeit „Wert-schaffend“ oder nicht? Ist sie ein „vormodernes Relikt“, das „neben“ dem Kapitalismus steht, oder ist der Kapitalismus selbst patriarchal und die Hausarbeit insofern funktional? Wie verhält sich die Sphäre der „versteckten Ökonomie“ zu Wert, Lohnarbeit und Kapital? Wie treffen hier normative und
analytische Momente zusammen bzw. behindern sich gegenseitig?

(III)
Im nächsten Teil kommen jene Positionen zu Wort, die gegenüber der Hausarbeitsdebatte als solcher kritisch eingestellt sind, da sie einen anderen/weiter gefassten Wertbegriff haben. Insbesondere geht es dabei um die Essentialisierung des Gebrauchswerts bzw. dessen Kritik. Von einigen Positionen wurde Hausarbeit u.a. mit Konsum in Verbindung gebracht und als individuelle (anstatt produktive) Konsumption betrachtet. Kritik daran versuchte Tauschwert/Arbeit und Gebrauchswert/Hausarbeit dialektisch zu vermitteln und in ihrer gegensätzlichen Funktionalität auszuweisen, wobei die Seiten von ihrer normativen Aufladung befreit werden. Ausgehend davon zwingt sich allerdings eine Neuauseinandersetzung mit dem normativen Telos von Kritik auf, wobei weit über das ökonomische hinaus symbolische und subjektkritische Momente relevant werden.
(IV)
Im nächsten Teil wird es folglich um die Kritik von Vernunft und Aufklärung gehen, wobei die Kritische Theorie Frankfurter Schule ein wichtiger Referenzpunkt ist. Feministische Autorinnen haben einerseits die Aufklärung bzw. ihre androzentrischen Auslassungen kritisiert, oder sich, vermittels einer Ausweisung der Mängel der Frankfurter Schule, einer erweiterten Kritischen Theorie zugewandt, die produktiv an die alten Theorien (u.a. Dialektik der Aufklärung) anschließt. Bei alledem spielt die Frage nach dem (bürgerlichen) Subjekt, seiner Vergeschlechtlichung und der damit einhergehenden patriarchalen Grundgestalt der modernen Gesellschaft bereits eine große Rolle.
(V)
Im letzten Abschnitt werden Fragmente eines gesellschaftlichen Unbewussten, psychoanalytischer Gesellschaftsinterpretationen sowie von Sexualität und Macht behandelt, wobei u.a. auch Foucuault zu seinem Recht kommt. Kritisiert werden in diesem Zug auch Ansätze, die zwar die „Metastruktur“ des warenproduzierenden Patriarchats gut erschließen, jedoch die Subjekt- und Vernunftkritik außen vor lassen (Hildegard Heise). Schlussendlich soll auch ein Text von Roswitha Scholz gelesen werden, wobei es um eine abschließende Einschätzung ihrer „integrativen Leistung“ hinsichtlich des zuvor gelesenen gehen könnte.

Literatur

Zu I:
1. Roswitha Scholz: Der Wert ist der Mann. In Krisis 12 (1992)
Zu II:
2. Gabriele Dietrich: Die unvollendete Aufgabe einer marxistischen Fassung der Frauenfrage. In: Projekt sozialistischer
Feminismus (Hg.): Geschlechterverhältnisse und Frauenpolitik. Berlin 1984 (AS 110)
3. Gisela Bock/Barbara Duden: Arbeit aus Liebe-Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus.
In Gruppe Berliner Dozentinnen (Hg.): Beiträge zur Berliner Sommeruniversität. Berlin 1976
4. Irmgard Schultz: Der erregende Mythos vom Geld. Über Zeit, Geld und Geschlecht im Ökologiezeitalter.
Frankfurt 1994, Kapitel 1 (Debatte zwischen Bock/Duden und Walser/Kontos)
5. Ursula Beer: Marx auf die Füße gestellt?. Zum theoretischen Entwurf von Claudia v. Werlhof. In: Prokla 50
(1983)
6. Claudia v Werlhof: Lohn ist ein „Wert“. Leben nicht? Auseinandersetzung mit einer „linken Frau“. Replik
auf Ursula Beer. In: Prokla 50 (1983)
7. Frigga Haug/Kornelia Hauser: Geschlechterverhaltnisse. Zur internationalen Debatte um Marxismus/
Feminismus. In: Projekt sozialistischer Feminismus, a. a. O
8. Frigga Haug/Kornelia Hauser: Marxismus/Feminismus. In Knapp/Wetterer (Hg.): TraditionenBrüche. Entwicklungen
feministischer Theorie. Freiburg 1992
9. Kornelia Hauser: Strukturwandel des Privaten? Das „Geheimnis des Weibes“ als Vergesellschaftungsrätsel.
Berlin 1987
Zu III:
10. Kornelia Hafner: Gebrauchswertfetischismus. In: Behrens (Hg.): Gesellschaft und Erkenntnis. Freiburg
1993
11. Robert Kurz: Geschlechterfetischismus. In Krisis 12 (1992)
12. Dorothea Mey: Die Liebe und das Geld. Weinheim/Basel 1987
13. Helga Grubitzsch: Konsumarbeiterinnen und Lockvögel. Frauen in der kapitalistischen Konsumtion. In:
Beiträge zu feministischen Theorie und Praxis 15/16 (1985)
Zu IV:
14. Helga Geyer Ryan: Zur Geschichte des weiblichen Vernunftverbots. In: Kulke/Scheich (Hg.): Zwielicht der
Vernunft. Die Dialektik der Aufklärung aus der Sicht von Frauen. Pfaffenweiler 1992
15. Genevieve Lloyd: Das Patriarchat der Vernunft: Männlich und weiblich in der westlichen Philosophie. Bielefeld
1985
16. Heidemarie Bennent: Galanterie und Verachtung. Eine philosophiegeschichtliche Untersuchung zur Stellung
der Frau in Gesellschaft und Kultur. Frankfurt/New York 1985
17. Christine Kulke: Die Logik patriarchaler Vernunftkritik. . Ein weiblicher Zugriff auf die Dialektik der Aufklärung.
In: Deuber-Mankowsky u. a. (Hg.) 1789/1989: Die Revolution hat nicht stattgefunden. Tübingen
1989
18. Irmgard Schultz: Julie & Juliette und die Nachtseite der Geschichte Europas. Naturwissen, Aufklärung und
pathetische Projektion in der „Dialektik der Aufklärung“ von Horkheimer und Adorno. In: Kulke/Scheich a.
a. O. (siehe auch Kapitel 3 im erregenden Mythos vom Geld)
19. Elvira Scheich: Denkverbote über Frau und Natur. In: Kulke (Hg.): Rationalität und sinnliche Vernunft.
Frauen in der patriarchalen Realität. Berlin 1988
Zu V:
20. Roswitha Scholz: Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose
des Patriarchats. Bad Honnef 2000
21. Cornelia Ott: Die Spur der Lüste. Sexualität, Geschlecht und Macht. Opladen 1998
Zu VI:
22. Hildegard Heise: Flucht vor der Widersprüchlichkeit. Kapitalistische Produktionsweise und Geschlechterbeziehung:
Frankfurt/New York 1986
23. Hildegard Heise: Rationalität und Rationalisierung: Dominante Formen der bürgerlichen Gesellschaft? In:
Kulke/Scheich a. a. O

20.01.-22.01.2011 – Veranstaltung: Krise und Krisentheorie

Veranstaltungshinweis

Vortragsreihe: Krise und Krisentheorie

 

VORTRAGSMITSCHNITTE

Vortrag von Robert Kurz als MP3
Robert-Kurz_Kapitalismus-in-der-Krise.Geschichte-und-aktuelle-Verlaufsformen.mp3

Vortrag von Roswitha Scholz als MP3
Roswitha-Scholz_Krise-und-Geschlecht.Zum-Abstraktionsverbot-im-Feminismus.mp3

Vortrag von Claus Peter Ortlieb als MP3
Claus-Peter-Ortlieb_Systemische-Ursachen-der-aktuellen Krise.mp3
Folien zum Vortrag

 


20.1.2011
Kapitalismus in der Krise. Geschichte und aktuelle Verlaufsformen
(Robert Kurz)

Krise und Geschlecht. Zum Abstraktionsverbot im Feminismus
(Roswitha Scholz)

Robert Kurz wird in seinem Vortrag die Verlaufsform der aktuellen Krise nachzeichnen und auf die historische Entwicklung und Zuspitzung der dem Kapitalismus eigenen Krisenhaftigkeit eingehen. Anhand von Beispielen wird die tatsächliche Dimension der Krise verdeutlicht und im Kontext eines konsistenten theoretischen Erklärungszusammenhangs begründet, der wegführt von bloßen “Krisenphänomenen” und systemische Ursachen in denVordergrund stellt.

Im Vortrag von Roswitha Scholz geht es um theoretische Auseinandersetzung die im weiteren Zusammenhang der Krise zu verorten ist. Feministische Theorien werden auf einer grundlegenden Ebene hinsichtlich ihrer epistemologischen und inhaltlich Aussagekraft befragt. Dabei wird ein wesentliches Defizit vieler feministischer Ansätze ausgemacht, das sich gerade auch in der (ungenügenden) Erklärungsfähigkeit der Krise zeigt, nämlich das Verbot der gesellschaftstheoretischen Abstraktion.

TU Wien Freihaus
Hörsaal 6, 2. Stock, grüner Bereich, Wiedner Hauptstr. 8, 1040 Wien
Beginn: 17:30h


 

21.1.2011
Systemische Ursachen der aktuellen Krise (Claus Peter Ortlieb)

Claus Peter Ortlieb beschäftigt sich – anschließend an die Ausführungen von Robert Kurz – mit allgemeineren Erklärungsmodellen der Krise. In dieser Hinsicht interessieren weniger die empirischen (Einzel-)Ereignisse, es geht um eine Theorie des “idealen Durchschnitts” der Krise des Kapitalismus. Im Rekurs auf die Kritik der Politischen Ökonomie und durch die Entmystifizierung volkswirtschaftlicher Tatbestände wird ein fundiertes Bild einer komplexen und über die aktuellen Verlaufsformen hinausgehenden Krisentheorie gezeichnet.

Österreichische Akademie der Wissenschaften, Theatersaal
Sonnenfelsgasse 19, 1.Stock, 1010 Wien
Beginn: 18:00h

 

22.1.2011
Workshop “Krise, Krisentheorie und Praxis” (mit allen ReferentInnen)

Nachdem die bisherigen Veranstaltungen eher als frontale Vorträge konzipiert waren, soll am Samstag die Möglichkeit geboten werden, Aspekte der Krise und Krisentheorie in einer gemütlicheren und offenen Atmosphäre gemeinsam zu diskutieren. Neben thematischen Inputs und der Vertiefung des Vortragsstoffes können dabei auch konkretere Fragen an die ReferentInnen gestellt werden, etwa hinsichtlich der Möglichkeiten und Einschränkungen emanzipatorischer Praxis in und zur Krise.

Schenke
Pfeilgasse 33, 1080 Wien
Beginn: 15:00h

 

Zu den Vortragenden

Robert Kurz (Jg. ´43) ist gesellschaftskritischer Publizist und Theoretiker in Nürnberg. Bekannt wurde er durch das auflagenstarke „Schwarzbuch Kapitalismus“, sowie zahlreiche Publikationen zu ökonomischen Krisen. Er geht dabei von einer „inneren Schranke“ kapitalistischer Entwicklung aus und weist diese akribisch und leicht verständlich an Hand aktueller Entwicklungen nach.
2011 erscheinen zwei neue Bücher zur Krise (Tote Arbeit. Die Substanz des Kapitals und die Krisentheorie von Karl Marx, Weltmacht und Weltkrise. Die Grenzen des Kapitalismus).

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, 1999.
  • Das Weltkapital. Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, 2005.
  • Weltmacht und Weltkrise. Die Grenzen des Kapitalismus, 2011.

 

Roswitha Scholz (Jg. ´59) ist gesellschafts- und geschlechterkritische Publizistin und Buchautorin in Nürnberg. Ihr einflussreichster Beitrag zur gesellschaftskritischen Debatte ist die „Wert-Abspaltungstheorie“. In diesem Ansatz verbindet sie ökonomische und feministische Überlegungen  – sowohl theoretisch-abstrakt als auch an Hand konkreter Widersprüche und Beispiele.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorie und die postmoderne Metamorphose des Patriarchats, 2000.
  • Differenzen der Krise – Krise der Differenzen. Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der Zusammenhang von “Rasse”, Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung, 2005.
  • Maria breit den Mantel aus. Produktion und Reproduktion in der Krise des Kapitalismus, in Phase 2, Nr. 36, 2010.

 

Claus Peter Ortlieb (Jg. ´47) ist Professor am Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg und Redakteur der Zeitschrift EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft. Bekannt ist Ortlieb vor allem durch seine kritische Auseinandersetzung mit mathematischer Modellbildung in den Volkswirtschaften (siehe z.B. sein Interview „Ökonomie ist eigentlich keine Wissenschaft.“ in der FAZ, ).

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Markt-Märchen. Zur Kritik der neoklassischen akademischen Volkswirtschaftslehre und ihres Gebrauchs mathematischer Modelle, 2004.
  • Ökonomie ist eigentlich keine Wissenschaft. Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, 2010.
  • Die verlorenen Unschuld der Produktivität, 2010.

 

Zahlreiche Texte der Vortragenden gibts es auf

 

Hier gibts den

 

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Umsonstökonomie – denkbar & machbar

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